Lucanus cervus Teil 2 (FSK 18)

 

Hugo befindet sich mit zittrigen Beinen auf dem moosbewachsenen Ast, mitten in der Kampfarena. Sein Gegner klettert auf den Ast und steht ihm jetzt gegenüber. Gross ist er. Kräftig. Und mit einem beeindruckenden Geweih ausgestattet.

Die Zuschauer ringsherum klatschen im Takt und brüllen einstimmig: «Hans-Jörg! Hans-Jörg!»

In Hugos Kopf dreht sich alles. Dann hört er eine einzelne Stimme: «Ügo, isch liebe disch!»

Kurz darauf erfolgt der Anpfiff des Schiedsrichters. Ohne zu zögern, rast Hans-Jörg auf ihn zu, das Geweih gefährlich gesenkt. Hugo ist wie gelähmt. Er sieht seinen Gegner in Zeitlupe auf ihn zustürmen, dann duckt sich Hugo ganz flach auf den Ast und klammert sich fest. Hans-Jörg hat nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Ohne abbremsen zu können schlittert er über Hugo hinweg, seinen Rücken runter und stürzt auf den Boden ins Gras.

Sekunden der Stille.

Dann hört man einen Ruf aus den hintersten Reihen: «Ügo ischt der Beschte!» Und bald darauf geht der Jubel und das Geschrei los: «Ügo! Ügo!...»

 

Hugo steht auf dem Siegerpodest. Dann wird ihm eine Goldmedaille um den Hals gelegt und einen Blumenstrauss ins Gesicht gedrückt. Der Schiedsrichter steht vor ihm mit einem Hirschkäfer-Weibchen an der Hand. Aber Hugo schüttelt den Kopf und sagt: «Non, sie soll mit ihrem Liebschten zusammensein», woraufhin das Weibchen heulend davonrennt und einem schnieken Hirschkäfer-Boy in der 1. Reihe glücklich um den Hals fällt.

Dann sieht Hugo Luca, der vor ihm steht. Er streckt seine Hand aus und zieht ihn hinauf auf`s Siegerpodest.

«Isch habe nischt gekämpft, nur misch geduckt», sagt er etwas verschämt zu Luca. Luca, erneut den Tränen nahe, meint: «Ducken ischt doch auch gut, mon amour!»

Daraufhin küssen sich die beiden innigst, so, dass dem Schiedsrichter die Trillerpfeife aus dem Mund fällt. Das ganze Publikum kommt angerannt, hebt Hugo und Luca hoch und trägt sie jubelnd aus der Kampfarena.

 

Die kommende Nacht verbringen sie zusammen unter ihrem Moosbett. Nur von weitem sieht man, wie die Goldmedaille, die am Ast daneben hängt, leicht hin- und herschwingt. unter`m Moosbett.