Der neue Oster- Job

 

Die Bewerbung (Teil 1)

 

«Guten Tag, Herr Lampemann. Setzen Sie sich doch bitte», sagt der Chef zum Hasen. Der Hase tut, wie ihm befohlen, setzt sich an den Schreibtisch gegenüber und wippt vor Nervosität mit den Beinen.

«Also», fährt der Chef fort und blättert in seinen Unterlagen vor sich. «Wie sind Sie denn auf unsere Osterhasen- Firma aufmerksam geworden?»

«Durch einen guten Freund, der schon länger hier arbeitet.»

«Ja so … so», der Chef schiebt mit dem Finger seine Brille höher auf die Nase.

«Wie ich sehe, haben Sie das Trainings-Programm erfolgreich abgeschlossen. Nur bei den Eiern hapert`s noch etwas.»

«Bei den Eiern?», fragt der Hase und spürt erste kalte Schweissperlen auf seiner Stirn.

«Anscheinend können Sie frische Eier nicht von faulen unterscheiden.»

«Ich war an diesem Tag verschnupft», rechtfertigt sich der Hase.

«Ja so...», sagt der Chef nur und macht sich irgendwelche Notizen. «Sie wissen, an Ostern dürfen Sie keinesfalls erkältet sein!»

«Mhm. Schon klar.» Der Hase rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

«Mir ist auch aufgefallen, dass Sie kein durchgehend weisses Puschelschwänzchen haben. Es ist leicht braun gesprenkelt.»

«Ist vererbt», meint der Hase jetzt leicht gereizt. «Ist das schlimm?»

«Kinder wollen einfach Osterhasen mit weissen Schwänzchen, das hat Tradition und sollten Sie verstehen.»

Blödmann, denkt der Hase und nagt an seinem Fingernagel.

«Und dieses Kauen der Nägel müssen Sie unverzüglich unterbinden!» Der strenge Blick vom Chef macht, dass der Hase sofort seine Hände unter seinen Hintern schiebt.

«Wir veranstalten vor Ostern eine Probewoche. Bis dahin sollten Ihre Mängel behoben sein. Ich danke Ihnen für das Interesse an unserer Firma. Auf Wiedersehen, Herr Lampemann.»

Der Hase verlässt das Büro und das Gebäude. Als er zurückschaut, sieht er den Chef am Fenster stehen und hinunterblicken. Der Hase dreht sich um, bückt sich, wedelt mit seinem gesprenkelten Schwänzchen und zeigt dem Chef den Mittelfinger.

Arschloch ohne Eier, denkt er. Dann überquert er die Strasse, geht ins Pub und bestellt sich einen doppelten Scotch.

 

(Anm.d.Red.: Man kann nie zu früh beginnen mit der Rekrutierung von Osterhasen.)

 

Fortsetzung vom Osterhasen (Teil 2)

 

Neulich in der Garage vom Hasen René.

«Jetzt halt mal endlich die Schablone still!», schnauzt René den braun- gesprenkelten Hasen an.

«Das ist gar nicht so einfach, so lange auf den Hinterbeinen zu stehen!», mault diese zurück.

René schüttelt die Spraydose erneut und sprüht dann die weisse Farbe auf das Puschelschwänzchen.

«Stooopp! Das reicht! Sonst kleben ja alle Haare zusammen! Das krieg ich nach Ostern nie mehr raus.»

«Willst du den Job oder nicht?», fragt René nur trocken.

Der Hase guckt über seine Schulter in den Spiegel. «Okay, nicht übel. Danke, René!»

 

«Guten Tag , Herr Lampemann. Ehrlich gesagt bin ich etwas überrascht, Sie wieder zu sehen nach… tja, unserem Gespräch und dem Vorfall danach», sagt der Chef und schiebt sich die Brille höher auf die Nase.

«Ah, Sie meinen das Schwanzwedeln», meint der Hase kleinlaut.

«Und den ausgestreckten Mittelfinger.» Der scharfe Blick vom Chef hätte ein Blatt Papier zerschneiden können.

«Oh! Ach nein, das hatte doch nichts mit Ihnen zu tun! Der Finger galt meinem Kollegen im Büro nebenan, der auch aus dem Fenster schaute!»

«Ah so… so», tönt es etwas ungläubig vom Chef.

Der Hase streckt ihm die Pfoten entgegen: «Tadaaa! Meine Nägel sind sauber und kurz geschnitten.» Dann dreht er sich und hält ihm seinen Hintern hin. «Und ein weisses Puschelschwänzchen hab ich jetzt auch!»

«Ah so. Dann würd ich sagen, Sie haben Ihre Mängel behoben und dürfen gerne in 6 Tagen zur Probewoche antreten.»

 

Der Hase hüpft glücklich über die Strasse und ins Pub, wo er sich neben René setzt.

«Und?», fragt der.

«Bingo! Ich denk ich hab den Job!», jubelt der Hase und gibt René ein High-five. Dann stossen die zwei mit einem Scotch an.

Nach dem vierten springt der Hase vom Barhocker. Er dreht sich um und schreit René zu: «Ich muss mal kurz. Ey, dieser Vollpfosten von Chef hat mir das mit dem weissen Schwänzchen tatsächlich abgenommen, so eine Blödmann ersten Grades, echt!»

Als er den Kopf wieder nach vorne kehrt, prallt er mit seinem Chef zusammen, so, dass dessen Brille in die Ecke fliegt.

Der Rest bleibt eine peinlich zu erzählende Geschichte.

 

 

(Teil 3)

 

Der Hase bleibt stocksteif stehen. Sieht, wie der Chef seine Brille vom Boden aufhebt, sie kurz an seiner Weste saubermacht und wieder auf die Nase schiebt.

Als er den Hasen anblickt, der immer noch wie gelähmt dasteht, passiert`s: Dessen Augen füllen sich mit Tränen und seine Mümmelnase zittert. Dann sinkt er auf seine Knie nieder, legt den Kopf in den Nacken und plärrt los: «Bähäää! Ich… ich wollte doch nur den Jooob! Den Job… bähäää!»

Sein Weinen übertönt bei weitem die Musik der Juke-Box im Pub und alle Hasen drehen sich zu den beiden um.

«Herr Lampemann», hüstelt der Chef jetzt peinlich berührt in sein Fäustchen. «Bitte stehen Sie doch auf! Sie veranstalten hier ein Riesen-Szenario.»

Der Hase steht endlich auf und schnieft seinen Rotz zurück in die Nase. Als der Chef ihm ein Taschentuch hinhält, fällt ihm der Hase plötzlich um den Hals und weint bittere Tränen in dessen Fell. Der Chef klopft ihm etwas unbeholfen auf den Rücken. «Kommen Sie, setzen wir uns doch.»

Die beiden klettern neben René auf den Barhocker, der Chef schlägt mit der flachen Hand auf die Theke und ruft dem Wirt zu: «Dreimal einen doppelten Scotch bitte!»

Dann dreht er sich zum Hasen.

«Herr Lampemann, ich verstehe Sie ja ein Stück weit. Ich habe eine Familie zu ernähren und glauben Sie mir, eine Firma mit knapp 800 auszubildenden Osterhasen zu leiten ist nicht immer einfach.» Er legt seine Brille vor sich auf den Tresen und blickt René und den Hasen jetzt wohlgesonnen an.

«Und übrigens: Meinen Sie wirklich, dass ich Ihr gefärbtes Schwänzchen nicht bemerkt habe?!» Er blinzelt den beiden zu. «Vergessen wir doch diese Vorfälle. Sie dürfen wie vereinbart gerne zur Probewoche antreten.»

Dem angetrunkenen Hasen schnellen die Ohren in die Höhe und er will dem Chef erneut um den Hals fallen, reisst sich aber zusammen.

Da ruft René: «Hey, guckt mal, da vorne singen sie Karaoke!»

 

Und so steht der braun-gesprenkelte Hase zwischen René und seinem Chef, die Arme über deren Schultern gelegt, und alle drei schaukeln und grölen zum ABBA-Song ins Mikrofon: «The winner takes it all, the loser has to fall...»

 

 

(Teil 4)

 

Am frühen Oster- Morgen. Der frisch ausgebildete Hase hoppelt leise hinter das Einfamilienhaus und sieht das Blumenbeet. Ideal! Bei einigen blühenden Narzissen bastelt er mit Gras ein kleines Nestchen. Dann legt er liebevoll bemalte Eier und einen Schoko-Hasen hinein.

Plötzlich hört er hinter sich ein Knurren. Er dreht seinen Kopf und sieht an der Hausecke einen grossen Hund, der ihn anbellt. Aus angeborenem Instinkt duckt er sich flach ins Blumenbeet. Aber als er sieht, dass der Hund jetzt auf ihn zuhetzt, springt der Hase auf und rennt im Zick- Zack durch den ganzen Gemüsegarten. Am Gartenzaun angekommen nimmt er einen grossen Satz und hangelt sich hoch. Doch der Hund hat ihn schon eingeholt und schnappt nach seinem Schwänzchen. Der Hase jault auf vor Schmerz, landet aber sonst unversehrt auf der anderen Seite des Zauns. Er streckt dem Hund die Zunge raus und zeigt ihm den Mittelfinger. Dem Hund hängen noch einige weisse Puschelschwanz- Haare in den sabbernden Lefzen, doch der Hase verbucht dies als Kollateralschaden und macht sich auf in den nächsten Garten.

Hopps! Er springt über das niedere Steinmäuerchen, dann hört er es Knirschen unter seinen Füssen. Oh nein! Er ist in ein schon gemachtes Osternest getrampelt! Die schönen Eier sind kaputt, der Schoko-Hase zersplittert. Der Hase bückt sich und versucht, mit seinen Sachen aus dem Korb das Nest wieder schön herzurichten.

In seine Arbeit vertieft merkt er nicht, dass er plötzlich am Nacken gepackt und hochgehoben wird! Er schreit und zappelt.

Der Junge, der ihn festhält, ruft: «Papa, ich hab einen Osterhasen gefangen! Darf ich ihn behalten?»

Aus dem Küchenfenster tönt es: «Nein, Georg, wir haben schon eine Katze und einen Hamster, lass den Hasen wieder los!»

Der Hase wehrt sich mit allen Kräften, beisst den Jungen schliesslich in den Unterarm, so, dass er ihn schreiend fallen lässt und der Hase sich blitzartig ohne seinen Korb aus dem Staub macht.

 

Nein, das ist definitiv kein Job für ihn!

Der Hase kehrt ohne Umwege nach Hause zurück, sitzt an den PC und schreibt seinem Chef die Kündigung.

 

Fröhliche Ostern allerseits!

 

 

(Vielen lieben Dank an Irina Salimova, @_iricca_ , für die genialen Illustrationen!)